Operation wag es…

 – oder: Warum die Eltern in deinen Schubladen wühlen

Als die Planungen für die Sommerunternehmen der einzelnen Stufen im Winter begannen, stand schnell fest, dass die Pfadis in diesem Jahr kein Sommerlager veranstalten würden. Den Jugendlichen sollte ermöglicht werden, sich beim WJT nicht nur in der Gemeinde zu engagieren, sondern auch die Woche in Köln mitzuerleben.

So fuhren die Juffis in den Sommerferien nach Belgien, die Rover nach Korsika und die grüne Stufe blieb zu Hause.

Was die Pfadis jedoch nicht wussten: Auch sie würden in diesem Sommer auf eine gemeinsame Unternehmung mit der ganzen Gruppe nicht verzichten müssen. Im August, zwei Wochen vor dem Stufenwechsel, ereigneten sich in den Familien der meisten Pfadis kleine, im Einzelfall unauffällige Geschehnisse. Eltern, die in den Kinderzimmern „herumschnüffelten“, Zahnbürsten und Pullover, die verschwanden, Schlafsäcke, die „in die Reinigung“ gebracht wurden, Diskussionen über die Ausbleibzeit in der „Abschiedsgruppenstunde“. Kaum ein Jugendlicher, der sich nicht über Kleinigkeiten bezüglich des Verhaltens ihrer Eltern wunderte. Hätten sie sich ausgetauscht, wäre es ihnen wie eine Verschwörung vorgekommen. „Verschwörung“ ist aber auch das Wort, dass die Aktion am besten auf den

Punkt bringt. Fangen wir doch einmal ganz vorne an. Ungefähr zu dem Zeitpunkt an dem bei den anderen Stufen feststand, dass sie ins Sommerlager fahren würden, stand bei den Pfadileitern fest: Es muss eine Alternative zum Sommerlager her, eine letzte gemeinsame Aktion mit der ganzen Gruppe vor dem Stufenwechsel! Die zündende Idee ließ auch nicht lange auf sich warten. Ein Elternabend wurde einberufen. Wichtige Themen in Bezug auf die Gruppendynamik gäbe es zu erklären. Um vollständiges Erscheinen wurde gebeten. Entsprechend vage blieben auch die Erklärungen der Eltern gegenüber ihren Kindern.

In den nächsten Wochen planten Pfadis und Leiter zusammen die letzte gemeinsame Gruppenstunde in der „alten” Gruppe. Schließlich „einigten” sich alle darauf, dass es einen Grillabend im Schlosspark geben sollte und falls noch Essen übrig bliebe: ein Brunch am Samstag. Um das Essen sollten sich die Eltern kümmern. So weit zur offiziellen Version, von der die Jugendlichen wussten. Um die wahren Ausmaße der Aktion zu erkennen, muss man sich fragen, was auf dem Elternabend denn nun wirklich besprochen wurde…

Der Plan für die Abschiedsgruppenstunde war es, die Jugendlichen „spontan” in einen BDKJ-Bus zu packen und mit ihnen in die Niederlande an den Strand zu fahren, dort zu grillen, am Meer zu sitzen und die ganze Nacht durchzumachen. Und das alles, ohne es mit den Pfadis vorher zu besprechen, als Überraschung sozusagen. Dazu wurde allerdings die Hilfe der Eltern benötigt und vor allem deren Einverständniserklärung. Dies war überhaupt gar kein Problem, im Gegenteil: Die Eltern waren bei besagtem Elternabend so begeistert von der Idee, dass sie am liebsten selber mitgefahren wären oder zumindest gerne „Mäuschen gespielt hätten”. Dementsprechend tatkräftig unterstützen sie uns auch bei unserem Vorhaben – sogar die Essensverpflegung war schon unter ihnen aufgeteilt, bevor die Pfadis überhaupt fragen konnten: Mama machst du mir einen Salat? Ihre Hauptleistung bestand jedoch darin, den Jugendlichen gegenüber nichts zu verraten. Am Donnerstagabend des 21. Augustes begann die Operation Überraschungsfahrt: Eltern und Leiter trafen sich gegen 18 Uhr zur heimlichen Gepäckübergabe auf dem Fried- äh: Kirchhof: Ein Elternteil nach dem anderen kam an, lud einen unauffälligen kleinen Rucksack in den Bus und fuhr wieder weg. Keine zehn Minuten dauerte es, bis die Versammlung sich wieder vollkommen aufgelöst hatte und Schlafsäcke, sowie Zahnbürsten im BDKJ-Bus verstaut waren.

Am Freitag, den 22. August traf sich die Pfadigruppe schon früher als üblich um den Nachmittag und Abend im Schlosspark voll ausnutzen zu können. Während die Jugendlichen mit Marie zu Fuß in den Schlosspark gingen, luden Julian und Mela das Grillgut, in ein Auto um es in den Schlosspark zu fahren. Im Schlosspark angekommen staunten die Pfadis nicht schlecht darüber, dass sie nicht das Grillgut aus dem Auto aus- sondern sich selber in den BDKJ-Bus einladen sollten. Hier endet nun das Verwirrspiel und es beginnt eine absolut grün, geil und laute Abschiedstour.

Gegen 16 Uhr fuhren wir schließlich auf der A40 in Richtung Venlo. Kurz vor der Abfahrt hatten wir uns entschlossen, aus Kostengründen nicht bis zum Strand zu fahren, sondern auf dem Weg dorthin nach einem geeigneten Grill- und Übernachtungsplatz zu suchen. Keine Stunde später fuhren wir kurz vor der Grenze wieder von der Autobahn ab und fanden einige Seen mitten im Wald. Auf einem Steg am Wasser breiteten wir unsere Decken aus und luden den mitgebrachten Kuchen aus. Nach einigem Hin- und Her beschlossen wir gemeinsam, noch ein Stück weiter zu fahren, Richtung Roermond. Dort hofften wir an der Maas einen geeigneten Grillplatz zu finden. Was wir jedoch wirklich fanden, hatte weder mit einem Grillplatz, noch mit der Bezeichnung „geeignet” etwas zu tun: Außer Industriegebieten und qualmenden Schornsteinen wurden wir nicht fündig. Aber da war ja noch der schnuckelige Steg vom Nachmittag… also stiegen wir wieder in die Autos um zurück nach Deutschland zu fahren. Der schnuckelige Steg vom Nachmittag war jedoch nun, am Abend, von Anglern besetzt, deren potentiellen Fang wir nicht durch unsere ausgefallene Laune stören wollten. Nach Stundenlanger Fahrt über enge Landwege durch den dunklen, nebeligen Wald verschlug es uns schließlich zur Burgruine in Wachtendonk. Fast wären wir sogar in den Genuss einer echten Grillhütte gekommen, doch erneut waren wir zu spät. Diesmal waren uns keine Angler, aber dafür die Dorfjugend zuvor gekommen. Just in dem Moment unserer Ankunft fing es auch an zu regnen. Um nicht im Auto sitzen zu müssen, wanderten wir zum Grillen, ganz „Pfadfinderlike” in ein Zelt aus: Nicht dass wir eines dabei gehabt hätten, aber Wachtendonk konnte uns eines bieten. In der Stadt hatte zuvor ein Weinfest stattgefunden und die leeren Festzelte standen immer noch auf der Wiese neben der Ruine bereit zum Abbau: So hat auch die Pfadfinderstufe letzten Endes ihr Sommerlager bekommen.

Im Schutze der Nacht schafften wir nun Grill, Futter und Schlafsäcke in das Zelt um dort unsere letzte Gruppenstunde zu veranstalten. Nach einem ausgiebigen Abendessen mit dem ein oder anderen kulinarischen Leckerbissen und vielen lustigen Geschichten über die Geheimniskrämereien der Eltern, gab es auch für die Leiter eine Überraschung: Ein kleines Dankeschön, der Jugendlichen, welche die Stufe wechseln würden. Für jeden von uns gab es ein Gruppenfoto als Puzzle und Kugelschreiber, die es in sich hatten. Ein paar liebe Worte von jedem für jeden. Da wir auf das Sommerlagertypische Lagerfeuer leider verzichten mussten (nach dem Essen ist man halt zu träge um nach trockenem Holz zu suchen) krochen wir gegen 2Uhr in unsere Schlafsäcke um doch ein paar Stunden zu schlafen. Wobei an Schlaf nicht wirklich zu denken war. Zu warm, zu kalt, zu schwül, zu mückig. So haben wir unser Vorhaben, die ganze Nacht durchzumachen doch noch in die Tat umgesetzt. Eigentlich müssten wir unseren Aufenthalt in Wachtendonk nicht als Sommerlager, sondern als Vollpension bezeichnen: Grillplatz, geeignete Umgebung, Zelt, Aufweckservice… Aufweckservice? Ja: Aufweckservice! Um Punkt 6.30 Uhr begannen die Wachtendonker das Festzelt quasi über unseren Köpfen abzubauen. Da wir aber alles schon am Abend zuvor aufgeräumt, bzw. gar nicht erst durcheinander gebracht hatten, dauerte es keine fünf Minuten, bis auch der letzte Schlafsack wieder im Bulli verstaut war. Nun doch inmitten der Ruinen sitzend zelebrierten wir schließlich, wieder ganz sommerlagerhikemäßig, das Frühstück. Die Stullen auf den Händen, den Saft in Pappbechern. Dann verließen wir das Städtchen. An der Tankstelle stoppten wir um nebst Tanken auch eine Entscheidung über den angebrochenen Tag zu fällen, wobei der Kaffeestopp im Duisburger Innenhafen einstimmig gewann. Und so kam es, dass die Bedienung eines der Cafés im Innenhafen vierzig Minuten später eine Gruppe müder, ungewaschener aber dafür gutgelaunter Pfadis und Leiter mit Milchkaffee, Tee und Espresso versorgte. Ein ausgiebiger Spaziergang, den Hafen hoch und wieder runter, rundete den Morgen und die Überraschungsfahrt schließlich noch ab. Bis zum Strand haben wir es nicht geschafft, aber wir hatten trotzdem gemeinsam sehr viel Spaß bei unserem Unternehmen.

Die Pfadis: Charly, Hanna, Catin, Lina, Julia, Susan, Fabiola, Pipa, Elena, Martin

und ihre Leiter: Mela, Julian, Marie